Club 1950-60 - Aero Club Nürnberg

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70 Jahre Aero Club Nürnberg e.V.

Im September diesen Jahres blicken wir auf siebzig Jahre Aero Club Nürnberg e.V. zurück. Grund genug einmal in das ACN Archiv einzutauchen, um etwas über die Anfänge und Historie des Vereins zu erfahren. Hier nun also der erste Teil meiner Recherchen zu den Anfangsjahren 1950 - ca. 1960.

Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten

Am 15.09.50 fand die Gründungsversammlung des Aero Club Nürnberg statt. Einige der 49 Teilnehmer waren Georg Liebermann (1. Vorsitzender), Rudolf Müller (Motorflugreferent), Georg König, Joseph Schmidt, und weitere Fluginteressierte. Die Aufzählung aller anwesenden Personen ist heute leider nicht mehr möglich, da die Anwesenheitsliste nicht mehr vorliegt. Viele der Gründungsmitglieder formierten sich bereits in den Jahren vorher in dem seit 1921 bestehenden Nordbayerischen Luftfahrtverband e.V., und hatten ihre Pilotenlizenz schon in den Vorkriegsjahren erhalten.

Nach der Aufhebung des Segelflugverbotes im Februar 1952 (der Motorflug blieb weiterhin untersagt), nahm der ACN mit dem Gleiter Model SG38 (Schneider in Grunau 1938) den Segelflugbetrieb am Industriehafen in Fürth auf. Als dann 1957 das Gelände für den Wohnungsbau herhalten musste, zog man auf ein Fluggelände am Moritzberg um. Nach nur drei Monaten untersagte die Flugsicherung den Betrieb dort allerdings wieder, da sich das Gelände in der Einflugschneise des Flughafens befand. So zog man am 25.08.57 auf das eigene Segelfluggelände am Hansenberg um, und legte dort den Grundstein für den weiteren Aufschwung des Segelflugsports in Nürnberg.

Als schlussendlich am 06.04.55 der Flughafen Nürnberg offiziell eröffnete, und im Mai des gleichen Jahres das durch die Siegermächte verhängte Motorflugverbot in Deutschland aufgehoben wurde, konnte der Aero Club endlich durchstarten.

Wie kamen die ersten Vereinsflugzeuge nach Nürnberg?
1955 unterbreitete der Deutsche Aero-Club in Frankfurt seinen Mitgliedervereinen das Angebot, zehn ehemals in Deutschland hergestellte Bücker Flugzeuge vom Typ B181 Bestman aus Schweden zurückzukaufen. Preis pro Flugzeug: 10.000 DM. Dem damaligen ACN Motorflugreferenten Rudolf Müller war klar, dass mindestens eines davon nach Nürnberg kommen musste. Aber wie sollte man den Kauf finanzieren? Rudolf Müller fasste den Entschluss, alle in der Gegend ansässigen Großfirmen zu kontaktieren, und ihnen eine Außenwerbefläche auf dem Flugzeug anzubieten. Und er hatte Erfolg: Die Firma „Möbel Hess“ kaufte für die Dauer von 2 Jahren eine Werbefläche, und bezahlte dafür 5.000 DM. Ebenso war die Firma „Photo Porst“ mit 3.000 DM dabei. Der noch fehlende Betrag wurde durch Spenden der Mitglieder erbracht. Somit war die Finanzierung für das erste Flugzeug des ACN gesichert.

Doch Rudolf Müller ließ noch nicht locker. Dr. Oskar Reichart, Arzt aus Ebermannstadt, und langjähriger Pilotenfreund von Rudolf Müller, erklärte sich bereit, eine zweite Bücker B181 aus Schweden für sich privat zu kaufen. Reichart wurde daraufhin Mitglied im ACN, und stellte sein Flugzeug gegen Bezahlung der Selbstkosten auch anderen ACN Mitgliedern zur Verfügung.

Und so landete am 13.09.55 das erste ACN Vereinsflugzeug (das durch Spenden und Außenwerbung finanziert wurde), die in Hamburg gestartete Bücker B181 D-EBEK, auf dem Flughafen Nürnberg. Die Flugzeugführer waren Geo König und Kurt Schreyer. Beide Piloten waren vermutlich keine ACN Mitglieder, sondern wurden für diesen Flug ausgeliehen. Sie hatten ihre alte Lizenz bereits erneuern können, jedoch hatte der ACN zu diesem Zeitpunkt noch keine Schulungserlaubnis und somit auch nicht die Möglichkeit, die alten Lizenzen der Mitglieder selbst zu erneuern.

Bereits einen Tag davor, am 12.09.55, flog der Pilot Dr. Oskar Reichart zusammen mit dem Vorkriegsfluglehrer Franz Eichinger die zweite (seine private) Bücker B181 D-EBOH, ebenfalls aus Hamburg kommend, nach Nürnberg.

Und so wurde schließlich am 18.09.55 das erste ACN Vereinsflugzeug D-EBEK unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am Flughafen auf den Namen „Nürnberg“ getauft. Zu diesem Anlass kam auch der damalige Oberbürgermeister Dr. h.c. Otto Bärnreuther der Bitte des ACN nach, und genehmigte dem Aero Club die Nutzung des Nürnberger Stadtwappens.
Gerade einmal 4 Monate waren vergangen seit das Motorflugverbot in Deutschland aufgehoben wurde. Der ACN besaß immer noch keine eigene Schulungserlaubnis, und so konnten erst sehr wenige Vereinsmitglieder ihre alten (Vorkriegs) Lizenzen erneuern lassen. Auch mangelte es an einem passenden Hangar für die beiden Vereinsflugzeuge. Ebenso gab es keine Firma für die Flugzeugwartung. Man war noch weit von einem eigentlichen Flugbetrieb entfernt. Das änderte sich erst mit dem Start der eigenen Flugschule, wodurch man in die Lage kam, die alten Lizenzen der Vereinsmitglieder selbst zu erneuern, und auch neue Piloten auszubilden.

Der Beginn der Vereinsflugschule

Zu Beginn des Jahres 1956 ging der ACN einen Vertrag mit der Fa. GELUNA (Flugtechnische Betriebe München, Fliegerschule Bayerisches Hochland München Oberwiesenfeld) zur Charterung eines Schulflugzeuges Piper L4 D-EFIX (65 PS) ein. Da der ACN keine eigene Schulerlaubnis hatte, schulte man anfangs über die Lizenz der GELUNA Fliegerschule.

Am 23.03.56 schließlich erteilte das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehrdem Aero-Club Nürnberg die „Genehmigung zur Ausbildung von Privatflugzeugführern innerhalb des Vereins auf dem Verkehrsflughafen Nürnberg“. Dies war die zweite Schullizenz in Bayern, und die erste in Nordbayern. Als Fluglehrer wurde Wolf Dietrich bestätigt, der seine Fluglehrerlizenz bereits in Oberwiesenfeld erneuert hatte. Rudolf Müller war Flugschulleiter. Interessant auch, dass zu dem Zeitpunkt noch keine Anfängerschulung stattfinden durfte, da der Flughafen keine Grasnarbe aufwies. 1957 wurde dann auch die Genehmigung zur Schulung von Kunstflug (FI Wolf Dietrich & Paul Bleyer), und 1958 zur IFR Schulung (FI: Hans Kolle) erteilt.
Für den Theorieunterricht zeichnete sich Karl Bertsche verantwortlich. Mitarbeiter der Flugwetterwarte, sowie der Flugsicherung unterstützen ihn in der Theorieschulung in ihren jeweiligen Fachgebieten. Als Schulungsraum nutzte man ein Nebenzimmer im Flughafenrestaurant, oder wich auf Räume verschiedener Nürnberger Firmen aus (wie zum Beispiel auf einen Filmvorführraum der Firma Photo Porst).

Es war auch sicher ein Wagnis für die seinerzeit Verantwortlichen, den ersten hauptamtlichen Fluglehrer anzustellen; den ehemaligen Militär-Fluglehrer Paul Bleyer.

 
Am 29.05.56 wurden schon die ersten 11 Motorflugprüfungen abgenommen. Zehn davon waren Scheinerneuerungen. Beim elften Prüfling allerdings handelte es sich um den ersten Neuschüler des ACN: Kaplan Balthasar Gareis – später Professor für Psychologie und Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät Fulda. Über ihn findet sich immer noch vieles im Netz (https://de.wikipedia.org/wiki/ Balthasar_Gareis).
Der himmelstürmende Kaplan

Einen guten Draht nach oben hatte der fliegende Kaplan sicherlich während seines Solo-Überlandfluges im Mai 1956, den er nämlich mit einer Notlandung aufgrund eines Motorschadens abbrechen musste. Der Pilot blieb unverletzt, aber der Motor des Schulflugzeuges D-EFIX war leider hinüber. Über den „himmelstürmenden Kaplan“ fand ich einen Zeitungsartikel aus dem „8-Uhr Blatt“ vom 25.05.56:

„...Der Tag dieses Alleinfluges kam. Er führte über München und Stuttgart nach Nürnberg. Südlich von Crailsheim, in der letzten Etappe, setzte plötzlich Gareis’ Motor aus. Blubbernd schüttelte sich der Motor in seiner Befestigung und Gareis dachte: ‚Jetzt fliegt alles auseinander....’ Er verlor an Höhe und sah schließlich eine wunderschöne Wiese unter sich. Auf dieser landete er. Verwunderte Bauern umringten ihn. Bis Landpolizei ihn verhörte und schließlich in Windeseile von Mund zu Mund die Nachricht eilte: ‚Das ist ein Kaplan.’ Die Schwaben brachten Gareis Brot und Schinken, Most und Zigaretten, und so erlebte der junge ‚ fliegende Kaplan’ mit dieser Landung, die ausschließlich einem technischen Fehler zuzuschreiben war, seinen schönsten Tag in Schwaben – und erntete ein Lob, weil er die Maschine sachkundig aufgesetzt hatte.“
Ein weiterer Flugschüler der ersten Stunde war Hans-Heinz Porst, Juniorchef der Firma Photo Porst in Nürnberg. Der durch eine Kriegsverletzung auf einem Auge stark sehbehinderte Flugschüler absolvierte seinen Prüfungsflug in denkbar ungünstigsten Wetterbedingungen (Starkregenund Sturmböen bis 60 kmh) und bestand. Auch hierzu fand ich einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1956:
1958 wurde die damals 34ig-jährige Lilo Köllisch die erste Pilotin des ACN. In einem Artikel der NN von 2007 schildert sie unter anderem, dass es Sitte war, den Flugschülern nach absolviertem ersten Alleinflug den Schlipps abzuschneiden. Wie jedoch sollte man mit einer Frau verfahren? Unter dem Pullover trug sie versteckt eine gelbe Krawatte ihres Mannes, die sie nach dem Flug zeigte. Das abgeschnittene Stück kam in die Sammlung des Aero-Clubs. Wo mag die Krawatte heute wohl sein?
Der damalige Flugstundenpreis betrug übrigens 42 DM. In den Folgejahren ging es mit der Flugschule stetig bergauf. Ca. ein Dutzend neuer Fluglehrer wurden durch das Ministerium bestätigt, und nahmen ihre Tätigkeit im ACN auf. Nach meinen Recherchen wurden bis einschließlich 1960 126 Piloten ausgebildet.

Flugsicherheitspreise für den Aero Club Nürnberg

Ein Meilenstein in der Geschichte des noch jungen Aero-Clubs war sicherlich die Verleihung des Flugsicherheitspreises durch das Bundesministerium für Verkehr im Jahre 1958. Dieser Preis wurde seit 1957 jährlich als Wanderpreis vergeben, und ging viermal an den ACN (1958, 1966, 1968, 1970).
Hierzu gab es damals sogar eine Pressemeldung der dpa:
 
„In Deutschland gibt es mehr als tausend Vereine, welche sich jährlich um diesen Preis bewerben. Die zu erfüllenden Bedingungen sind nicht einfach, vor allen Dingen darf in der in Betracht kommenden Zeitspanne (jeweils ein Kalenderjahr) kein Unfall eingetreten sein. Der Aero-Club Nürnberg hat in den Jahren 1955/56 bis Ende 1967 124.000 Starts mit rund 31.500 Flugstunden ohne jeden Personenschaden durchgeführt“.
Der Frankenflug Wettbewerb

Im gleichen Jahr 1958 begründete Rudolf Müller den Wettbewerb „Frankenflug“, der über viele Jahre hinweg Piloten aus der ganzen Bundesrepublik und dem Ausland nach Nürnberg zum sogenannten „Luftwandern“ zusammen brachte. Die sichere Durchführung dieser Veranstaltungen war ein Teil des unermüdlichen Einsatzes des ACN für die Flugsicherheit im Rahmen des Deutschen Aero Club. Jeder Wettbewerb wurde genauestens dokumentiert. Es finden sich hierüber u.a. noch Listen der teilnehmenden Piloten- und ihrer Flugzeuge eines jeden Wettbewerbs, Zeitpläne, Aufgabenstellungen, und vieles mehr im Archiv des ACN.

Folgende Aufgaben gab es zum Beispiel im Rahmen des Wettbewerbs zu lösen:
„Fehlersuche an einem vorher präparierten Flugzeug im Rahmen der Vorflugkontrolle“.
„Die Bahnlinie Würzburg-Nürnberg führt bei Emskirchen über einen Viadukt über das Tal. Welche Richtung (rw K) hat die Bahnlinie auf dem Viadukt?“ (Lösung: 108°/288°)

Das erste Clubheim entsteht

Am 27.09.59 wurde das erste Clubheim des Aero-Club Nürnberg am Flughafen eingeweiht. Es war ideal am Rande des Vorfelds gelegen mit direktem Zugang zu den abgestellten Fliegern, und mit unmittelbarem Sichtkontakt zum Vorfeld und der Landebahn. Für Besucher war dies ein besonderes Erlebnis und sie konnten so das fliegerische Geschehen direkt miterleben. Der Bau kostete 35.000 DM, und gemäß Mitgliederbeschluss durfte hierfür keine Mark aus dem Clubvermögen ausgegeben werden. Alles musste über Spenden finanziert werden, was auch gelang; der Staat, die Stadt, und die Nürnberger Industrie waren die vornehmsten Spender. Das schmucke einstöckige Häuschen umfasste einen 85qm großen Vortragssaal, sowie Räume für die Vereinsleitung und Motorfluggruppen. Zur Eröffnung mit „Militärmusik, Freibier und Schaufliegen“ wurden „zahlreiche Persönlichkeiten aus der Fliegerei bis hinauf zum Generalinspekteur der Bundesluftwaffe“ eingeladen.
Laut Jahresbericht Motorflug vom 31.12.59 umfasste die Flotte des ACN zu diesem Zeitpunkt sechs Flugzeuge:
Piper J3C
D-EBIS
D-EJAF
Jodel
D-EGIB
Jodel 120
D-ENIZ
BÜ 191
D-EBOH
Auster
D-ECUR
Diese absolvierten vom 01.01.59 – 31.12.59 9561 Landungen, sowie 2307 Flugstunden.

 
Die technische Betreuung lag vom ersten Tag an in den Händen des Zündapp-Wartungsdienstes (aus welchem sich der heutige Aero-Dienst entwickelte). Erst ab 1964 schloss der ACN einen Dauer-Wartungsauftrag mit der Firma Malter ab.
Zum Abschluss möchte ich Rudolf Müller zitieren. Er machte in seinem Bericht über das 1. Flugjahr der Motorfluggruppe (1955/1956) drei Punkte für den Vereinserfolg verantwortlich:

1. „Es stand von Anfang an fest, dass ein sicherer Flugbetrieb nur durchführbar ist, wenn es gelingt, einen zuverlässigen Wartungsbetrieb aufzubauen. Die Firma Zündapp hat, auf unserer Leistung aufbauend und unter Übernahme unseres Flugzeugwartes einen Wartungsbetrieb eingerichtet.

2. Das unfallfreie Fliegen wurde möglich durch Einhaltung einer selbstauferlegten Flugdisziplin aller Flugzeugführer.

3. Die Erfolge waren möglich durch ständigen selbstlosen Einsatz einzelner Mitglieder, durch Idealismus und Kameradschaft. Wenn diese Eigenschaften im Flugsport schwinden, geht es abwärts. Der Flugsport ist gefahrlos wie der Autosport, wenn anständig und sauber geflogen wird. Angeberei im Fliegen kann alle Arbeit zunichte machen. Leistungen verpflichten. Sie erhalten sich nicht von selbst, sondern müssen immer wieder erneuert werden.“

Die Motorfluggruppe des Aero-Club Nürnberg e.V.
 
gez. Rudolf Müller

Man kann unserem Gründungsmitglied Rudolf Müller hier nur voll und ganz zustimmen (außer, dass der Autosport ungefährlich sein soll). Seine Worte von damals haben im Laufe der Jahre nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Nehmen wir sie uns zu Herzen, und erfreuen wir uns hoffentlich noch viele unfallfreie Jahre lang gemeinsam im ACN an unserer Leidenschaft für die Fliegerei.

 
Norbert Saemann
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